Polygonaler Gültigkeitsbereich

 

 

Polygonale Gültigkeitsbereiche in NTv2-Dateien

Eine NTv2-Datei enthält ein oder mehrere viereckige Koordinatengitter, die in den NTv2-Headern definiert sind. Stattdessen soll und darf aber nur ein polygonaler Bereich abgedeckt sein, z.B. ein Staatsgebiet innerhalb der Landesgrenzen. Wie können außerhalb eines polygonalen administrativen Gebiets liegende Koordinaten von Koordinatentransformationen und Bezugssystemwechseln (Datumsübergängen) ausgeschlossen und damit Lokalisierungsfehler vermieden werden?

 

Das Mitte der 90ger Jahre in Kanada entwickelte NTv2 bedeutet "National Transformation Version 2". Inzwischen wird die recht genaue NTv2-Methode zur Realisierung von Bezugssystemwechseln in vielen Ländern benutzt. NTv2 verwendet in Dateien abgelegte Koordinatengitter, um genaue Transformationen von einem geodätischen Bezugssystem in ein anderes durchzuführen. Die Koordinatengitter der NTv2-Datei enthalten die dafür notwendigen Verschiebungen zwischen den beiden Bezugssystemen. Mittels bilinearer Interpolation werden die exakten Koordinaten für Punkte des Quellbezugssystems im Zielbezugssystem berechnet.

Im Text verwendete neue Begriffe:

 

Polygonaler Gültigkeitsbereich

Ein Polygon innerhalb eines NTv2-Gitters, in dem Bezugssystemwechsel zugelassen sind.

 

Exopolygonaler Eintrag

Eintrag des Wertepaars -99 /-99 in die Verschiebungs- oder Genauigkeitswerte einer Gittermasche zum Ausschluss aus dem polygonalen Gültigkeitsbereich.

 

Die NTv2-Datei ist aus einem oder mehreren Parent- und Child-Koordinatengittern in einer hierarchischen Struktur aufgebaut. Die optional enthaltenen Child-Koordinatengitter verfeinern mit verdichteten Gittermaschen Teilbereiche des darunter liegenden Parent-Koordinatengitters. Die Child-Gitter können dabei wiederum hierarchisch als Parent-Gitter weiterer, darüber liegender Child-Gitter auftreten (siehe Abbildung 3). Die meisten Gitterdateien, wie z.B. das Deutsche Beta2007, enthalten aber nur ein einzelnes Parent-Koordinatengitter.

 

NUM_OREC 11

NUM_SREC 11

NUM_FILE 1

GS_TYPE  SECONDS

VERSION  NTv2.0

SYSTEM_F DHDN90

SYSTEM_T ETRS89

MAJOR_F  6377397.155

MINOR_F  6356078.963

MAJOR_T  6378137.000

MINOR_T  6356752.314

Die NTv2-Datei beginnt mit einem Main-Header (links), in dem allgemeine Informationen, die Bezeichnungen der verwendeten Bezugssysteme und die jeweiligen Ellipsoidparameter abgelegt sind. Es folgen die Parent- und Child-Koordinatengitter, die ihrerseits mit einem Sub-Header (rechts) beginnen. Darin sind die Gültigkeitsbereiche der Koordinatengitter durch südliche und nördliche Breitengrade und westliche und östliche Längengrade festgelegt.

SUB_NAME DHDN90

PARENT   NONE  

CREATED  06-11-09

UPDATED  06-11-09

S_LAT    169200.000000

N_LAT    199080.000000

E_LONG   -56400.000000

W_LONG   -19800.000000

LAT_INC  360.000000

LONG_INC 600.000000

GS_COUNT 5208

 

-2.749746  7.165792  0.000000  0.000000

-2.750032  7.067153  0.000000  0.000000

-2.750411  6.968641  0.000000  0.000000

-2.750896  6.870278  0.000000  0.000000

-2.751498  6.772085  0.000000  0.000000

Jeweils hinter einem Sub-Header folgen die Gittermaschen mit zwei Werten für die Längen- und Breitenverschiebung und zwei Werten für die Genauigkeit. Die Verschiebungen zwischen den Bezugssystemen sind meist in Sekunden angegeben, können aber auch als Minuten oder Grad abgelegt sein. Optional kann die Genauigkeit als mittlerer Fehler der Längen- und Breitenverschiebung in Meter angegeben sein.

 

Der viereckige Gültigkeitsbereich einer NTv2-Datei ist also durch ein oder mehrere  viereckige Koordinatengitter festgelegt. Polygonale Bereiche, wie z.B. Landesgrenzen oder der Ausschluß bestimmter Gebiete, sind deshalb nicht möglich. Zur Lösung des Problems kann der Hersteller in seiner NTv2-Datei einen Polygonalen Gültigkeitsbereich festlegen. Dazu werden die außerhalb der polygonalen Gültigkeit liegenden Gittermaschen durch sogenannte Exopolygonale Einträge gekennzeichnet.

Abbildung 1: NTv2-Gitter mit viereckigem Gültigkeitsbereich.

Dieses viereckige Koordinatengitter einer herkömmlichen NTv2-Datei umfasst das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Außerhalb des für den Bezugssystemwechsel vorgesehenen Staatsgebiets führen Koordinatentransformationen zwangsläufig zu Fehlern.

 

Die erste Möglichkeit, polygonale Strukturen zu realisieren, ist die Verwendung exopolygonaler Einträge für die Genauigkeitswerte der Gittermaschen. In den meisten NTv2-Dateien sind die Genauigkeitswerte auf 0 oder -1 gesetzt, um anzuzeigen, dass keine Informationen zur Genauigkeit zur Verfügung stehen. Erfahrungsgemäß gibt es keine NTv2-Dateien, in denen die Genauigkeitswerte mit plausiblen Zahlen belegt sind. Es ist keine GIS-Software bekannt, die Genauigkeitswerte in die Berechnungen mit einbezieht.

 

Wenn man nun beide Genauigkeitswerte der auszuschließenden Gittermaschen mit dem exopolygonalen Eintrag -99 belegt, können diese damit als ungültig markiert werden. Die so markierten Gittermaschen sind von den Berechnungen der Bezugssystemwechsel ausgeschlossen. Die Zahl -99 ist für die Markierung geeignet, da sie als Wertepaar für plausible Genauigkeitsangaben nicht vorkommen kann.

 

Es werden insgesamt vier Gittermaschen angesprochen, die sich je einen  Gitterabstand LAT_INC in nördlicher und südlicher und je einen Gitterabstand LON_INC  in westlicher und östlicher Richtung vom Gitterpunkt erstrecken. Das sind die vier Gittermaschen, die um den Gitterpunkt herum angeordnet sind. Wegen der flächenhaft vierfachen Größe des Bereichs einer Gittermasche muss eine Überlappungszone zum polygonalen Gültigkeitsbereich berücksichtigt werden.

 

Diese Methode sollte angewendet werden, wenn die Mittelwertbildung aus den umgebenden Gitterpunkten wegen sehr hoher Genauigkeitsanforderungen ausgeschlossen werden soll.

Abbildung 2: NTv2-Gitter mit polygonalem Gültigkeitsbereich.

In diesem Beispiel soll der Bereich der Bundesrepublik Deutschland als polygonaler Gültigkeitsbereich behandelt werden. Die roten Gittermaschen sind mit exopolygonalen Einträgen markiert und dadurch von Bezugssystemwechseln ausgeschlossen. Die weißen Gittermaschen sind Randbereiche, in denen Bezugssystemwechsel stattfinden müssen.

 

Die zweite Möglichkeit ist der exopolygonale Eintrag -99 in die beiden Verschiebungen für die Länge und die Breite der Gittermaschen. Auch hier gilt, dass dieses Wertepaar für plausible Längen- oder Breitenverschiebungen nicht vorkommen kann.

 

Es wird genau eine Gittermasche angesprochen, die sich einen Gitterabstand LAT_INC in nördlicher und einen Gitterabstand LON_INC in westlicher Richtung vom Gitterpunkt erstreckt. Das ist genau die Gittermasche, die durch den Gitterpunkt definiert ist und die bei der Interpolation einer darin befindlichen Koordinate angesprochen wird. Wenn in mindesten einem der drei verbleibenden Gitterpunkte dieser Gittermasche kein Wert -99 eingetragen ist, wird ein neuer Shiftwert aus dem Mittelwert der verbleibenden Gittermaschen generiert.

 

Diese Methode ist zu bevorzugen, da nur Gittermaschen in der NTv2-Datei die polygonale Gültigkeit entzogen wird, bei denen alle vier Gitterpunkte den Wert -99 enthalten.

 

-2.749746   7.165792   0.000000   0.000000

-2.750032   7.067153   0.000000   0.000000

-99.000000 -99.000000   0.000000   0.000000

-99.000000 -99.000000   0.000000   0.000000

-2.751498   6.772085   0.000000   0.000000

-2.752229   6.674087 -99.000000 -99.000000

-2.753104   6.576315 -99.000000 -99.000000

-2.754140   6.478805   0.000000   0.000000

-2.755358   6.381604   0.000000   0.000000

Im Beispiel links sind beide Methoden zur Realisierung polygonaler Gültigkeitsbereiche dargestellt. Die gelb hinterlegten Verschiebungen zweier Gittermaschen und die blau hinterlegten Genauigkeitswerte zwei weiterer Gittermaschen sind mit exopolygonalen Einträgen gekennzeichnet. Damit liegen diese vier Gittermaschen außerhalb des polygonalen Gültigkeitsbereichs.

 

Das Geodetic Developer Kit GeoDLL ab Version 16.00 und das Koordinaten-Transformationsprogramm TRANSDAT ab der Version 19.00 von KilletSoft unterstützen bereits polygonale Gültigkeitsbereiche. Die beiden Tools erkennen exopolygonale Einträge in den Verschiebungen oder Genauigkeiten einer Gittermasche und generieren nach Kontrolle der hierarchischen Child- und Parent-Koordinatengitter bei einem Treffer den Hinweis, dass die Koordinate außerhalb des polygonalen Gültigkeitsbereichs der NTv2 Gitterdatei liegt. Herkömmliche NTv2-Dateien ohne polygonale Gültigkeitsbereiche funktionieren weiterhin in der gewohnten Weise.

 

Den vollständigen Artikel zur Polygonalen Gültigkeitsbereichen in NTv2-Dateien können Sie auf der KilletSoft-InternetSeite unter https://www.killetsoft.de/t_1512_d.htm nachlesen.